Einleitung
Hüftschmerzen beeinträchtigen häufig die Freude am Training sowie den allgemeinen Fortschritt, den du durch dein Training erzielen würdest. Doch mit der richtigen Steuerung beim Training mit Hüftschmerzen kannst du Schmerzen lindern und langfristig aktiv bleiben. Entscheidend ist, dein Training individuell an deine persönliche Situation und Belastungstoleranz anzupassen. In diesem Artikel erfährst du, wie du dein Training mit Hüftschmerzen gestalten kannst, um deine Muskulatur zu kräftigen, wie du dein Training optimal anpasst und welche Vorteile Krafttraining bei Schmerzen bietet.
Das häufige Problem bei Training mit Hüftschmerzen
Allgemein können Hüftschmerzen – verursacht durch Erkrankungen wie FAI, Hüftarthrose oder DGS – dich vom Training, deiner Reha oder anderen Bewegungen abhalten. Viele Betroffene verbinden Schmerzen automatisch mit einer körperlichen Schädigung und vermeiden deshalb schmerzauslösende Bewegungen oder unterbrechen sie sofort. Dadurch bewegen sich Betroffene insgesamt oft weniger, was wiederum dazu führt, dass die generelle Belastungstoleranz sinkt. Dies hat zur Folge, dass Schmerzen bei Bewegungen schneller auftreten können, selbst wenn diese zuvor als leicht empfunden wurden.

Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass beispielsweise 23–67 % der symptomfreien Menschen in der Bildgebung Anzeichen eines FAI-Syndroms aufweisen (Frank, 2015). Bei Labrumrissen betrifft dies sogar 54 % und bei Knorpelschäden 12 % der asymptomatischen Personen (Heerey, 2018). Selbst Hüftarthrose tritt bei bis zu 17 % der Menschen ohne jegliche Beschwerden auf (Oo & Linklater, 2024). Dies verdeutlicht, dass Training mit Hüftschmerzen nicht zwangsläufig mit einem Gelenkschaden zusammenhängen müssen.
Wie komplex Schmerz beim Training mit Hüftschmerzen tatsächlich ist, verdeutlicht eine Studie aus dem Jahr 2013. Die Forschenden untersuchten, ob negative Erwartungen – auch Nocebo-Effekt genannt – Schmerzen verstärken können. Dazu verwendeten sie eine wirkstofffreie Creme, suggerierten den Teilnehmenden jedoch, dass diese Creme Schmerzen verstärken würde. Mithilfe von Hitze-Reizen und bildgebenden Verfahren (spinale MRT-Untersuchungen) stellten sie fest, dass die Schmerzsignale im Rückenmark tatsächlich erhöht wurden. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass negative Erwartungen die Schmerzwahrnehmung bereits auf Ebene des Rückenmarks verstärken, noch bevor das Gehirn diese Signale verarbeitet. Obwohl keine aktive, schmerzauslösende Substanz eingesetzt wurde, stiegen die Schmerzwerte deutlich an. Daraus lässt sich schließen, dass dein subjektives Schmerzempfinden beim Training mit Hüftschmerzen maßgeblich durch deine Erwartungen beeinflusst werden kann (Geuter, 2013). Wenn du also glaubst, dass eine bestimmte Bewegung schädlich ist oder Schmerzen verursachen könnte, kann genau diese Erwartung deinen empfundenen Schmerz tatsächlich verstärken.

Geuter, 2013
In einer Studie aus dem Jahr 2019 wurde untersucht, ob sichtbare Schulterprobleme in MRT-Aufnahmen tatsächlich mit vorhandenen Schulterbeschwerden zusammenhängen. Dazu fertigten die Forschenden MRT-Bilder von beiden Schultern bei Personen mit einseitigen Schulterbeschwerden an und verglichen diese miteinander. Es stellte sich heraus, dass sichtbare Veränderungen im MRT auf beiden Seiten ähnlich häufig auftraten – unabhängig davon, ob die Schulter schmerzhaft war oder nicht. Daraus folgt, dass MRT-Bilder allein nicht ausreichen, um eindeutig festzustellen, ob die sichtbaren Veränderungen tatsächlich die Ursache der Beschwerden darstellen (Barreto, 2019). Ähnlich verhält es sich beim Training mit Hüftschmerzen: Ein MRT-Befund alleine gibt nicht immer klare Hinweise auf die Ursache von Schmerzen.
Individuell angepasstes Training mit Hüftschmerzen und Bewegung können je nach Situation und Belastungstoleranz zwar Schmerzen auslösen, dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Schädigung vorliegt. Bei verschiedenen Erkrankungen, beispielsweise bei Hüftarthrose oder dem FAI-Syndrom, liefert eine konservative Therapie ähnlich gute Ergebnisse wie operative Eingriffe. Bisher lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen, welche der beiden Vorgehensweisen langfristig besser ist, weshalb grundsätzlich gilt: konservative Maßnahmen, wie gezieltes Krafttraining, zuerst auszuprobieren, bevor eine Operation in Betracht gezogen wird. Bei vielen verschiedenen Erkrankungen ist Krafttraining ein wesentlicher Bestandteil der konservativen Therapie (Friede et al., 2022; Henriksen et al., 2022).
Die Vorteile von Krafttraining
Welche Vorteile bietet Krafttraining?
Krafttraining bietet zahlreiche Vorteile für die Gesundheit und die Funktion des Körpers. Dazu gehören insbesondere:
- Erhöhte Muskelkraft und Muskelmasse: Krafttraining erhöht die Muskelkraft, verbessert die funktionelle Kapazität und steigert die Lebensqualität bei Menschen mit chronischen Erkrankungen
- Verbesserte körperliche Funktion und Lebensqualität: Besonders bei chronischen Erkrankungen wie COPD, Parkinson, Multipler Sklerose oder Fibromyalgie hilft Krafttraining, die Symptome zu lindern, und verbessert den allgemeinen Gesundheitszustand (Ciccolo & Nosrat, 2016)
- Verminderte Körperfettmasse und besserer Stoffwechsel: Krafttraining beeinflusst die Körperzusammensetzung positiv, reduziert Fettanteile und erhöht Muskelanteile, was insgesamt die Stoffwechselgesundheit fördert (Booth et al., 2017)
- Schmerzlinderung durch endogene Schmerzhemmung (Hypoalgesie): Krafttraining aktiviert körpereigene Schmerzhemmsysteme und führt zu einer erhöhten Schmerztoleranz, insbesondere durch Ausschüttung von Endorphinen und Endocannabinoiden (Koltyn et al., 2014)
Auf welche Krankheiten wirkt Krafttraining positiv?
Krafttraining hat eine nachweislich positive Wirkung auf eine Vielzahl chronischer Erkrankungen, unter anderem:
- Kardiovaskuläre Erkrankungen: Verbesserte kardiorespiratorische Fitness und Reduktion kardiovaskulärer Risiken (Booth et al., 2017)
- Diabetes Typ 2: Erhöhte Insulinsensitivität durch Zunahme der Muskelmasse und verbesserte Glukosespeicherung in der Muskulatur
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Verminderung der Atemnot, verbesserte muskuläre Kraft und verbesserte Lebensqualität
- Chronische Nierenerkrankung: Verbesserung der körperlichen Funktion, der Kraft sowie der Körperzusammensetzung
- Morbus Parkinson und Multiple Sklerose: Verzögerung des funktionellen und motorischen Abbaus, verbesserte Balance und Gehfähigkeit
- Krebs: Reduzierung chronischer Müdigkeit (Fatigue), Erhalt der Muskelkraft und Knochenmasse sowie Verbesserung der Lebensqualität während und nach der Therapie
- Fibromyalgie: Verminderung von Muskelschwäche, muskulären Schmerzen und allgemeiner Ermüdung (Ciccolo & Nosrat, 2016)
Wie beeinflusst Krafttraining die Schmerzen?
Krafttraining beeinflusst Schmerzen auf mehrere Arten:
- Aktivierung der endogenen Schmerzhemmung: Durch Krafttraining kommt es zu einer Ausschüttung von Endorphinen (endogenen Opioiden) und Endocannabinoiden, die eine schmerzhemmende Wirkung haben (Koltyn et al., 2014; Koltyn, 2002)
- Reduzierte Schmerzsensitivität: Sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen kann Krafttraining eine sogenannte „Exercise-Induced Hypoalgesia“ (trainingsinduzierte Schmerzlinderung) auslösen, wodurch Schmerzschwellen erhöht und Schmerzwahrnehmung vermindert werden (Nijs et al., 2012)
- Dosis-Wirkungs-Effekt: Hochdosiertes Training mit hoher Wiederholungszahl führt zu größeren Verbesserungen bei Schmerzlinderung und funktioneller Kapazität als niedrig dosiertes Training mit geringeren Wiederholungszahlen, wie am Beispiel des Patellofemoralen Schmerzsyndroms gezeigt wurde (Østerås et al., 2013)
- Verbesserte zentrale Schmerzverarbeitung: Regelmäßiges Krafttraining verbessert die Schmerzverarbeitung auf zentraler Ebene (Gehirn und Rückenmark), wodurch die Schmerzempfindlichkeit dauerhaft reduziert werden kann (Koltyn et al., 2014)

Zusammenfassend bietet Krafttraining umfassende gesundheitliche Vorteile, insbesondere bei chronischen Erkrankungen, und hat signifikante positive Auswirkungen auf Schmerzempfinden und Lebensqualität.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Training mit Hüftschmerzen nicht nur möglich, sondern in vielen Fällen sogar äußerst empfehlenswert ist. Wie wir gesehen haben, sind Schmerzen komplex und nicht zwangsläufig Ausdruck eines strukturellen Schadens. Studien zeigen eindeutig, dass viele degenerative Veränderungen, die wir in der Bildgebung sehen, häufig bei Personen auftreten, die keinerlei Schmerzen verspüren. Daher sollten MRT-Befunde alleine kein Grund sein, auf körperliche Aktivität und insbesondere Krafttraining zu verzichten.
Krafttraining bietet dir zahlreiche gesundheitliche Vorteile: Es erhöht Muskelkraft und -masse, verbessert die körperliche Funktion, reduziert Fettgewebe und aktiviert körpereigene Mechanismen zur Schmerzhemmung. Vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Hüftarthrose, Diabetes oder Fibromyalgie verbessert Krafttraining nicht nur deine Schmerzen, sondern auch deine Lebensqualität deutlich.
Wichtig ist jedoch, dein Training individuell anzupassen und deine Schmerzen aufmerksam zu überwachen. So profitierst du langfristig von der positiven Wirkung des Trainings, ohne die Symptome unnötig zu verschlimmern.
Wie genau du dein Training optimal steuerst und gestaltest, erfährst du in der kommenden Woche im zweiten Teil: „So sollte Training mit Hüftschmerzen aussehen.“ Freue dich auf praktische Tipps und eine konkrete Anleitung, wie du trotz Schmerzen aktiv bleiben und dein Training sicher und effektiv gestalten kannst.
Literaturverzeichnis
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Booth, F. W., Roberts, C. K., Thyfault, J. P., Ruegsegger, G. N., & Toedebusch, R. G. (2017). Role of Inactivity in Chronic Diseases: Evolutionary Insight and Pathophysiological Mechanisms. Physiological reviews, 97(4), 1351–1402. https://doi.org/10.1152/physrev.00019.2016
Ciccolo, J. T., & Nosrat, S. (2016). Resistance training and chronic disease: A summary of the current evidence. ACSM’s Health & Fitness Journal, 20(5), 44–49. https://doi.org/10.1249/FIT.0000000000000239
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Koltyn, K. F., Brellenthin, A. G., Cook, D. B., Sehgal, N., & Hillard, C. (2014). Mechanisms of exercise-induced hypoalgesia. The journal of pain, 15(12), 1294–1304. https://doi.org/10.1016/j.jpain.2014.09.006
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Østerås, B., Østerås, H., Torstensen, T. A., & Vasseljen, O. (2013). Dose-response effects of medical exercise therapy in patients with patellofemoral pain syndrome: a randomised controlled clinical trial. Physiotherapy, 99(2), 126–131. https://doi.org/10.1016/j.physio.2012.05.009